Komplexe Existenzkrise für die Forstwirtschaft
2018 und 2019 waren zwei sehr trockene Jahre. Die Wälder sind die ersten Opfer der Klimakrise. Viele Forstbetriebe kämpfen aktuell um ihre Existenz als Holzproduzenten und müssen komplexe Entscheidungen für ihre Zukunft treffen.
> Dieser Artikel erklärt die komplizierten Zusammenhänge der Krise im Forst, die viele Familienbetriebe aktuell erleben.
Nicht nur der fehlende Niederschlag und die dadurch extreme Verbreitung der Holzschädlinge machen den Forstwirten Sorgen; auch die Strukturen des Holzhandels und die Entwicklung des Holzmarktes führen zu Problemen. Der Holzhandel ist für diese extreme Situation nicht gewappnet. Es fehlt an Unternehmen und Maschinen, die solche Mengen an Holz im Wald aufarbeiten können. Die Zahl an Holztransportern ist zu knapp, um das Holz aus dem Wald zu schaffen und es gibt Engpässe bei der Bahn, um das Holz günstig weiter weg zu liefern. Die Sägereien in Deutschland stoßen ebenfalls
an ihre Kapazitätsgrenzen, insbesondere in den stark betroffenen Regionen. Der Verkauf von Holz wird damit erheblich erschwert. Das große Holzangebot auf dem Markt spiegelt sich natürlich auch in den Holzpreisen wider. So wird bei Fichtenholz oft kaum noch der Deckungsbeitrag für die Aufarbeitungskosten und Betriebskosten erzielt. Der Laubholz-Preis ist diesen Herbst ebenfalls stark gesunken: von 70 Euro/Festmeter im letzten Jahr auf 40 Euro/Festmeter, wenn man die Abstufungen wegen der Trockenschäden mit einberechnet.
Wegen zunehmender Wetterextreme müssen die Betriebe nun klären, wie klimaresistente Wälder künftig aussehen werden und eine Anpassung schnellstmöglich auf der Fläche umsetzen.
> Andere Arten auf die Fläche bringen
Die Betriebe müssen jetzt für die Zukunft vorsorgen und die Kalamitätsflächen wieder aufforsten, sowie die bestehenden Bestände an das sich wandelnde Klima anpassen. Mischbestände werden oft als Lösung genannt. Da inzwischen bekannt ist, dass ortsübliche Laubbaumarten in geschlossenen naturverjüngten Beständen austrocknen, muss man sich überlegen, was sonst für die Zukunft gepflanzt werden soll. Das ist je nach Standort sehr individuell: je nach Höhenmeter, Waldboden, Orientierung, Wasserversorgung und zukünftigem Klima auf der Fläche. „Exotische“ Arten können eine Alternative darstellen, doch damit gibt es auf der Fläche keine Erfahrung. Wie sehen die Bäume in 60 Jahren aus? Die Genetik und die Bodenbiologie (z.B. Mykorrhiza-Pilze) spielen da eine wesentliche Rolle.
> Wilddruck
Pflanzungen von nicht ortstypischen Arten sind in der Praxis nur bedingt möglich. In Revieren mit Schalenwild kann man z.B. keine unübliche Baumart ohne Zaun/Einzelschutz pflanzen. Dafür sind es zu viele freie Flächen, die zwingend wieder aufgeforstet werden müssen. Alles einzuzäunen wäre zu teuer und würde dem Prinzip der naturnahen Bewirtschaftung widersprechen. Der NABU predigt ein modernes Wildtiermanagement, bei dem die Wilddichte auf ein Niveau gebracht wird, bei dem sich die Pflanzen ohne Zaun und hohe Verbiss-Schäden gut entwickeln können. Der Luchs und der Wolf helfen zwar, die Bestände zu regulieren, bewirken aber auch eine Änderung im Verhalten des Wildes (Nachtaktivität, Bildung von Großrudeln, etc.), das in der Folge schwieriger zu bejagen sein wird.
Eine weitere Einschränkung geht mit den aktuellen Naturschutzregeln einher. So ist beispielsweise die Umwandlung von ausgezeichneten FFH-Flächen strikt verboten, da man dadurch das eigentlich schützenswerte Biotop verändern
würde. Um dort andere Bäume anzupflanzen, als bisher vor Ort waren, muss zuerst bewiesen werden, dass das Biotop am Standort nicht mehr überlebensfähig ist. Solche Behördengänge zur Änderung des Schutzstatus können langwierig sein, weswegen es umso wichtiger ist, solche Fragen frühzeitig anzugehen. Mit den wissenschaftlichen Daten, die wir heute haben, sollten die Betriebe vorausplanen und eine angepasste Flexibilität für die Gestaltung der Biotope erhalten.
> Liquiditätsfrage
Die Holzvermarktung ist inzwischen in den betroffenen Betrieben – wenn überhaupt – nur noch kostendeckend möglich und erlaubt keine neuen Investitionen. Hinzu kommen zusätzlich zur Aufarbeitung und Räumung der Schadflächen kostenintensive Arbeiten, wie die Wiederinstandsetzung der Wege, neue Aufforstungen, Aufholung der Pflegearbeiten in den Kulturen und Jungbeständen und die Konsolidierung der Bestände zur Anpassung an den Klimawandel. Finanzielle Hilfen wurden inzwischen in vielen Bundesländern organisiert, mit der Begründung einer Anpassung des Waldes an den Klimawandel und den Erhalt dieser wichtigen CO2-Senke. Für kleine Betriebe besteht die Gefahr, dass die Förderanträge zu bürokratisch und dadurch zu zeitintensiv sind.
Der gesunde Wald bietet Ökosystemleistungen, die für alle lebenswichtig sind. Dazu zählen die Filterung der Luft (Feinstaub), die Produktion von Sauerstoff, die Speicherung von CO2, die Filterung von Regenwasser, ein Erosions- und Lawinenschutz, ein Erholungsort sowie die Produktion des nachwachsenden Roh- und Baustoffs Holz. Nicht zuletzt bildet der Wald den Lebensraum für 7.000 Arten. Die Holzvermarktung ist inzwischen in den betroffenen Betrieben – wenn überhaupt – nur noch kostendeckend möglich und erlaubt keine neuen Investitionen.
Die Forstbetriebe durchleben momentan äußerst schwere Zeiten. Sie müssen schnell handeln, sehen sich aber mit wenig Spielraum hinsichtlich Finanzen, Pflanzenwahl, Zeitmanagement, Gesetzes- und Klimavorgaben konfrontiert. Die Ende September beim von der Bundesregierung veranstalteten Waldgipfel proklamierten Hilfen für den Wald sind ein erstes sehr gutes Zeichen. Diese Hilfen müssen jetzt umgehend und unbürokratisch zu den Forstbetrieben kommen. Das könnte den Betrieben die notwendige Unterstützung bieten, um die dringend notwendigen Anpassungen ihrer Wälder voranzutreiben.